Jennys Café, Zeit für eine Veränderung
Alana ging die Strasse entlang. Wütend wischte sie eine Träne aus ihrem Auge. Wieso musste immer ihr sowas passieren? Wieso ausgerechnet heute, wo sie sich doch endlich mal einen ruhigen Abend machen wollte.
Plötzlich stand sie vor Jennys Café und Buchladen. Sie war schon öfter daran vorbeigegangen. Und auch heute hatte sie eigentlich keine Zeit dafür. Doch irgendwas liess sie nicht daran vorbeigehen. Sie konnte nicht sagen, was genau es war. Es lag nicht am schön gestalteten Eingangsbereich, der war ihr schon mehr aufgefallen. Es war, als hätte sie sich nicht bewusst dazu entschieden, reinzugehen.
Drinnen war niemand. Leise erklang mittelalterliche Tanzmusik. Irgendwas in dem Raum heiterte ihre Stimmung auf. Sie war auf einmal zufrieden und glücklich. Leise summte sie vor sich hin, obwohl die gespielte Musik nicht ganz ihr Stil war.
Sie ging zwischen den runden Tischen durch, auf die Bar zu. Die aus dunklem Holz bestehende Bar war mit einer Schnitzerei verziert.
Durch die Tür hinter der Bar kam eine junge Frau mit braunen Haaren.
„Oh, hallo“, sagte sie, „ich war eigentlich schon dabei zuzumachen. Aber komm doch, setz dich hin und trink etwas mit mir. Soviel Zeit muss sein.“
„Sicher? Ich kann auch ein andermal wiederkommen“, sagte Alana unsicher und setzte sich auf einen der rot gestrichenen Barstühle.
„Natürlich, ich habe das Gefühl, dass du das jetzt brauchst“, sie sah Alana nachdenklich an und fuhr dann fort, „Lass mich raten, du möchtest einen Latte Macchiato mit einem Spritzer Karamell-Sirup, richtig?“
Alana nickte.
„Klingt lecker, das probiere ich auch“, sagte die Frau und machte sich daran die beiden Getränke vorzubereiten.
„Ich bin Lia und wie heisst du?“, sagte sie und stellte eines der Gläser vor Alana ab.
Alana betrachtete das Glas genauer. Darauf war dasselbe Muster wie auf der Bar. Sie hatte dieses Muster aus Schlangen mit Blumen an den Schwänzen noch nie gesehen.
„Alana.“
Lia nahm einen Schluck aus ihrem Glas und sagte dann: „Das ist wirklich lecker, das werde ich ab jetzt öfter trinken.“
Sie schwieg eine Weile. Alana hatte das Gefühl, dass Lia sie analysierte.
„Sag mal, geht’s dir nicht manchmal auch so, dass du viel zu viel zu tun hast?“, fragte sie, nach einem weiteren Schluck aus ihrem Glas.
Alana sagte nichts.
„Weisst du, was wir ruhig öfter sagen dürfen, auch wenn’s uns schwer fällt?“
Alana schüttelte den Kopf.
„Das Wort nein. Auch wenn wir vielleicht schon ja gesagt haben. Es ist okay seine Meinung zu ändern.
Ich weiss, ein nein kann sehr negativ wirken. Es kann sogar verletzend sein, wenn man ein nein erhält. Aber ein nein zu jemand anderem ist immer ein ja zu sich selbst. Wenn du für dich diese Grenze ziehst, kannst du dir einiges ersparen. Du zeigst dem Gegenüber, dass du dessen Erwartungen aktuell nicht erfüllen kannst. Und das ist okay so. Denn du setzt dich an erste Stelle.
Ich weiss, das kann manchmal schwierig sein. Aber zwischendurch nein zu sagen, ist besser als zu allem ja zu sagen. Klar kann man viel erleben, wenn man überall mit dabei ist und allen um sich hilft.
Doch jedes Ja will bezahlt werden, in der Währung der Zeit. Und plötzlich fliegen deine Minuten, Stunden und Tage dahin. Und wir müssen schauen, dass am Ende noch etwas Zeit für uns selbst übrigbleibt.“
„Woher wusstest du, dass es mir so geht?“
„Vielleicht habe ich einfach gut geraten“, die Frau lächelte geheimnisvoll.
Sie räumte die leeren Gläser weg, während sie weitersprach: „Mir wurde schon öfter gesagt, dass ich gut darin sei, das richtige zu den richtigen Leuten zu sagen. Andererseits, gibt es ja viele da draussen, denen es genau so geht, dass wenn alle Verpflichtungen bezahlt worden sind, sie keine Zeit für sich mehr übrig haben.“
Doch Alana wollte es nicht glauben, dass das nur Zufall war. Diese Frau musste irgendwie gewusst haben, dass egal was sie tat, es nie genug war. Dass immer irgendjemand etwas von ihr wollte. Klar liebte sie es auszugehen, Ausflüge zu machen. Und es erfüllte sie, die Menschen um sich zu unterstützen. Doch Lia hatte Recht, wo blieb sie dabei?
„Ich habe noch etwas für dich“, riss die Frau sie aus ihren Gedanken. Sie blickte auf und sah das kleine Fläschchen auf der Bar stehen. Es war blau-durchsichtig und schien eine leuchtende Flüssigkeit zu enthalten. Am Korken war eine silberne Kette befestigt
„Trag das um deinen Hals und es wird dich daran erinnern, dass du auch mal nein sagen darfst.“
Alana nahm das Fläschchen und betrachtete es. Sie zuckt mit den Schultern. Sie zweifelte daran, dass es etwas bringen würde. Aber schaden konnte es ja auch nicht, also nahm sie es mit. Sie konnte ja nicht ahnen, dass die Kette mehr konnte, als nur schön auszusehen. Denn das nächste Mal als sie ja sagen wollte, obwohl sie weder Zeit noch Lust dazu hatte, wurde das Fläschchen um ihren Hals warm und leuchtete schwach auf. Da wusste sie, es war Zeit auch mal Nein zu sagen.
Komentare